Bulunkul | Außenposten der Zivilisation

Bulunkul im Juni, kurz vor Sonnenuntergang. Foto: Karsten Schöne

6. Bulunkul | Außenposten der Zivilisation

In Bulunkul zu leben, ist eine Strafe. Trostlose Hütten in Quaderform stehen auf einem windigen, kaum geschützten Plateau, ohne Wege, ohne Gärten, umgeben von blanker festgetretener Erde. Die Bewohner erzählen uns, dass die Temperatur hier im Winter manchmal auf minus 50 Grad fällt. Fernsehen, gespeist von der Autobatterie, ist ihr einziger Luxus. Bulunkul macht atemlos, wenn man den Ort so wie wir ohne ausreichende Klimatisierung erreicht. Denn er liegt fast 3700 Meter über dem Meeresspiegel. Dass ab und zu Touristen hierher kommen, liegt vor allem daran, dass es nur wenige Orte auf der Welt gibt, an denen man so leicht bis tief ins Hochgebirge vordringen kann. Für die Menschen, die hier leben, sind sie eine willkommene Einnahmequelle. Und doch hat man fast ein schlechtes Gewissen, ihnen Arbeit zu machen, eine Unterkunft zu verlangen, Essen und Tee. Wären diese Leute noch hier, wenn keine Besucher kämen? „Aber ja“, sagt die Frau, bei deren Familie wieder unterkommen. „Wo sollten wir sonst hin?“ Wir wollen wissen, wie der Alltag hier aussieht. „Fragt lieber nicht“, sagen die Bewohner. Nur die Kinder sind hier noch unbeschwert.

Zwei winzige Geschäfte gibt es – nur Abstellräume mit, fünf, zehn Quadratmetern Fläche. Jetzt, nach dem harten Winter, sind die Regale fast leer: ein paar kleine Kartons mit Bonbons gibt es noch, Streichhölzer, eine Flasche Öl, ein paar Dosen Tomatenmark. Für die wenigen Touristen, die meist All-Inclusive-Touren buchen, ist dieses Angebot nicht gemacht, nur für die kleine Kaufkraft der wenigen Bewohner. Meine Suche nach Getränken scheitert fast– dann kann ich doch eine Flasche Limonade erstehen, die uns über den Tag bringen wird. Als ich sie bezahlt habe, sind Getränke in Bulunkul ausverkauft. Wir machen noch einen Ausflug in die Umgebung, am nächsten Morgen fahren wir weiter und finden die Passhöhen, die über 4000 Meter hoch sind, noch immer verschneit vor. Eine Winterlandschaft mitten im Juni! Fünf- und Sechstausender zeichnen sich im Schneetreiben ab. Wo sonst auf der Welt kann man mehr als vier Kilometer über dem Meeresspiegel mit dem Auto fahren? Unsere einzigen Begleiter sind schwer beladene chinesische Lastwagen, die sich über den weiß gezuckerten Pass quälen und deren Fahrer uns verständnislos ansehen, als wir aussteigen, um einige Fotos zu machen.

 

 

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