Kalksinter-Terrasse in Garm-Shashma. Foto: Karsten Schöne
In einem Land der langen und eisigen Winter gehören heiße Quellen zu den Orten, die Menschen magisch anziehen. Das gilt für Männer und Frauen. Die Geschlechter baden in getrennten Becken oder zu wechselnden Zeiten. Die Kalksinterterrassen von Gharm-Shashma mit ihrem großen Freiluftbecken sind Naturwunder, Freibad und Hoffnung für Kranke zugleich. Im Heilwasser sitzend und bedeckt mit weißem Schlamm genießt man eine phänomenale Aussicht. Andere Quellen präsentieren sich weniger verschwenderisch. Eine der sagenumwobensten, Bibi Fatima, ist eine feuchtheiße Klamm mitten im Fels. Wer dort baden will, der muss durch ein rustikales Kassengebäude, dann durch einfache Umkleidekabinen und schließlich durch einen dicken Plastikvorhang, bevor er im Inneren des Berges die verborgenen Freuden des Pamirs genießen kann. Rund 40 Grad heißt ist das Wasser. Man möchte am liebsten gar nicht wieder heraus! Für die Männer ist es nur ein Bad, doch die Frauen versprechen sich mehr von dieser Quelle: Wenn sie einen Kinderwunsch haben, kommen sie hierher. Den Bibi Fatima verspricht reichen Kindersegen. So sagt es die Tradition.
Ganz nahe bei Bibi Fatima liegt eine Festung, deren gigantische Ausmaße verblüffen: Yamchun, die größte Verteidigungsanlage im Wakhan-Korridor. Von der modernen, recht guten Straße aus führt ein abenteuerlicher, steiler Fußweg von zehn Minuten ins Innere des Forts. Neun teilweise in die Tiefe abgestürzte Verteidigungstürme mit Schießscharten für Bogenschützen lassen erkennen, dass diese Zitadelle einst uneinnehmbar gewesen sein muss. Die ältesten Teile der Anlage, die unter dem Schutz der Regierung seht, sollen aus dem dritten bis ersten Jahrhundert vor Christus stammen – der Zeit Alexanders des Großen, der Rest vielleicht aus den ersten nachchristlichen Jahrhunderten. Namen wie die „Festung der Ungläubigen“ oder die „Festung der Feueranbeter“ verweisen auf das hohe Alter. Gut zwei Meter sind die Außenwände dick. Glücklich konnte sich schätzen, wer Schutz fand hinter diesen Mauern fand. Der Blick von oben ins grüne, 500 Meter tiefere Tal ist der Blick eines Feldherren, der den Feind schon in großer Entfernung orten muss. Wie viele Eroberer mögen durch diese Landschaft gezogen sein? Vor uns liegt der Hindukusch.