Khorog | Bergstadt in strategisch heikler Lage

Open-Air-Restaurant auf dem afghanischen Markt in Khorog. Foto: Karsten Schöne

4. Khorog | Bergstadt in strategisch heikler Lage

Ein wilder Fluss bildet die Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan: der Pjandsch. Im 19. Jahrhundert war er die Interessengrenze zwischen dem Zarenreich und dem britischen Empire, heute ist er ein Schmugglerparadies. An seichten Stellen kann man nach Afghanistan schwimmen. Der Weg nach Khorog, zur die Hauptstadt der autonomen Provinz Berg-Badachschan, führt auf einer unbefestigten Straße am Ufer des Pjandsch entlang. Auf der afghanischen Seite gibt es nur einen schmalen, archaischen Saumpfad, der uns nicht mehr aus den Augen geht. Mühsam klammert er sich fest, in Generationen sorgfältig aufgeschichtete Steinpackungen halten ihn am Berg, weiß schäumende Gewässer überspülen ihn und urzeitliche Brücken ohne Geländer überspannen Klüfte. Wir sehen Menschen, die zu Fuß oder mit Eseln reisen. In der Nacht erreichen wir Khorog. Erschöpft liege ich im Bett eines Gasthauses. Die Berge scheinen die Häuser zu berühren, und als der Mond aufgeht, mischen sich schwarze und weiße Wolken in seinem Licht, zeichnen bald einen Totenkopf, bald eine magische Blume. Träume ich schon?  Am Morgen blickt eine raue, sommerliche Berglandschaft durchs Fenster.

Auf der Straße treiben ältere Männer Morgengymnastik, man sieht Studenten, die Frauen in bunten Gewändern oder westlichen Kleidern. Viele haben etwas Englisch gelernt, es gibt erste Internet-Cafés; man lädt Mobiltelefone am Kassenautomaten auf. Uns scheint es, als wären hier unverkrampfte Begegnungen der Geschlechter möglich. In den jugendlichen Gesichtern erkennen wir alle Völker, die einst an der Seidenstraße Handel miteinander trieben. Auf einem gesonderten Markt können sich heute sogar wieder Tadschiken und Afghanen begegnen. Weltoffen wirkt Khorog – die Spannungen, die hier zwischen Zentralregierung und den Pamiris, Islamisten und Modernisieren herrschen, die dunklen Drogen- und Rubingeschäfte hier sehen wir nicht. Nur die Güter auf dem Markt verraten die geopolitische Brisanz der Gegend: russische Kehrbleche, iranische Lichtschalter, religiöse Schriften aus Pakistan, Mehrfachstecker aus China. Überall stoßen wir auf eine urwüchsige Gastfreundschaft. Ein Händler repariert ohne Bezahlung den Reißverschluss meiner Reisetasche. Eine Café-Besitzerin spendiert sogar eine Flasche Cola. Das Geschenk beschämt uns. Wir wollten schließlich für Umsatz sorgen!

 

 

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