Zum allerersten Mal ist der Name Rudakis in Deutschland schon am Ende des 18. Jahrhunderts bekannt geworden. Dies ist mit der deutschen Übersetzung in den Jahren 1775-1790 des Buches »Bibiliotheque Orientale« (1697) vom französischen Orientwissenschaftler Barthelemi d`Herbelot verbunden. In seinem Buch berichtete D´Herbelot über den weithin anerkannten »Vater« der persischen Poesie folgendes: »Rudaki (Roudeki) - ist der poetische Name von Ustadh Abul Hassan, der von dem Namen der Ortschaft Rudak abgeleitet wurde und später auch als Name des persischen Musikinstruments Rudek benutzt wurde 1. Das Erste bestätigt die moderne Wissenschaft, die auch der Meinung ist, dass dieser Name tatsächlich etwas mit dem Namen der Ortschaft Pandschrud, wo Rudaki geboren wurde, zu tun hat. Des Weiteren erwähnt D´Herbelot die Tatsache, dass Rudaki in den Zeiten der Herrschaft des Geschlechtes Saman gelebt und gedichtet hat. Und über die Samaniden schreibt er, dass diese während 110 Jahren (892-999) das ganze Land in Ihrem Besitzt hatten, was man damals als das persische Reich definierte. Von den 9 Fürsten dieses Geschlechtes, die am edelsten, großzügigsten und mutigsten waren, standen viele auch für Gerechtigkeit und unterstützten Künstler und Wissenschaftler. Am Ende nahm ihr Reich der Sultan Machmud von Gazna…« Laut dem Bericht von d´Herbelot, lebte Rudaki während der Herrschaft des Samaniden Königs Naser ben Achmed (914-943), was auch das Mitglied der Akademie der Wissenschaften B. Gafurov bestätigt, und genoss am Hofe Nasers sehr hohes Ansehen.
Der französische Orientalist fügt seiner Erzählung auch eine Geschichte aus dem Leben Rudakis zu, in der der König mehrere Jahre in Herat weilte und sogar seine Residenz in diese Stadt umsiedeln lassen wollte. Die höheren Hofleute sehnten sich sehr nach Buchara und hatten Rudaki gebeten, den König zu überreden, nach Buchara zurück zu kehren. Da dichtete Rudaki ein Lied, bei dessen Anhören der König ohne sich umzukleiden und sogar in Pantoffeln auf das Pferd stieg und nach Buchara reitete. D´Herbelot hat das Lied selbst nicht zitiert, obwohl er es bestimmt kannte. Jeder der Einwohner Mittelasiens erkennt aber sofort, dass es das Lied über die ewige Stadt des Orients (Buchara) war:
Es kommt der Duft vom Strome (Muljan) her,
Erinnerung an dein´ Freund kommt her…
(Übersetzung von J. Hammer-Purgstall)
Nach mehr als 20 Jahren wurden den deutschen Lesern im Buch vom österreichisch-deutschen Orientalisten Josef Hammer-Purgstall »Die Geschichte der schönen Redekünste Persiens« (Wien 1818) eine kurze »Biographie« Rudakis und einige Übersetzungen seiner Gedichte zugänglich gemacht. Die biographischen Daten über Rudaki im Buch von Hammer unterschieden sich von denen von d`Herbelot nur wenig, was festzustellen erlaubt, dass die beiden Autoren dieselben Quellen benutzt haben. Eine Bemerkung von Hammer in Betracht ziehend, »Tezkhirat-asch-Schuar´a) von Daulat-Schah Samarkandi (15. Jh.). Hammer schreibt über Rudaki und das mit vollen Recht, das er »der älteste, fruchtbarste und der reichste der neuen persischen Dichter, hoch geehrt und reich belohnt am Hofe Naser's» sei. Auf die Zeiten des Naser fällt der Meinung von Hammer nach, »das Blütealter der neuen persischen Poesie«. Der Name Rudaki (bei Hammer Rudegi) leitet der deutsche Orientwissenschaftler von zwei möglichen Quellen ab: von dem Namen der Ortschaft Rudeg im Bezirk Buchara oder von dem Namen eines persischen Musikinstrumenten - Rud, was auch die Bedeutung »eine Melodie« hat. Das Letzte hat Hammer offenbar mehr gefallen, da er unterstreichen wollte, dass Rudaki nicht nur ein ausgezeichneter Dichter, sondern auch ein blendender Musiker war. Wie wir schon bemerkt hatten, ist die moderne Wissenschaft über die Ursprünge des Namens Rudaki's einer anderen Ansicht. Um seine Meinung zu untermauern fügt Hammer seiner Erzählung dieselbe Geschichte über das Lied Rudaki's an, dass König Naser nach Buchara zurückzukehren bewegte. Das Lied selbst hat er auch ins Deutsche übersetzt. Leider erkannte Hammer weder die Bedeutung Rudakis als Hauptbegründer der neuen persischen Dichtung, noch die historischen Voraussetzungen von deren richtiger »Wiedergeburt« in der Samanidenzeit. So blieb für ihn die Schaffung des Buchs »Schach-Nameh« Firdousis ein erstaunliche »Phänomen«: »Überhaupt findet sich in den Bildungsepochen der persischen Poesie (Samaniden und Sultan Machmud Gaznavi - A.H.) mehr als eine sonderbare Erscheinung. Die sonderbarste und größte von allen ist der Schachname, wodurch sie sich schon in ihrer Wiege als Koloss erhob« (4, s. 9). Über die geschichtlichen Ursachen dieses Phänomens werden wir später noch reden, darüber aber, dass Firdousi einige Vorgänger hatte, ist es vielleicht schon jetzt nötig etwas zu sagen. Es ist gut bekannt, dass schon der Dichter Dakiki eine Anweisung von den Samaniden bekommen hatte, die persischen Sagen zu sammeln und poetisch zu bearbeiten. Und damit hatte er auch zweifelsohne begonnen. Den ersten aber Platz unter den Vorläufern Firdousis muss man dem Dichter Rudaki zuerkennen.
Dem Autoren der »Geschichte der schönen Redekünste Persien« entgingen weder die Sagen von überdimensionaler Schöpferkraft Rudakis (ihm werden über 1. 300 000 Gedicht zugeschrieben) noch von sein gigantischer Reichtum. Sehr wertvoll ist der Bericht Hammers darüber, dass Rudaki die Fabeln »Kalila und Dimna« (Fabeln Bidpais bei Hammer) ins Persische übersetzt hat, was aber leider samt vieler seiner Kaßide und anderer Gedichte verloren gegangen ist (2, s. 40). Zweifellos neu in Hammers Werk ist die erste Publikation von Texten Rudakis in Europa auf Deutsch. Freilich wollte J. Hammer in seinem zusammenfassenden Werk (200 persischen Dichter!) Rudaki bloß den Lesern bekannt machen, was definitiv dazu geführt hat, dass seine Übersetzungen zu fragmentarisch und lose sind.
So hat er 4 Fragmente aus dem dichterischen Werk Rudakis und nur ein Gedicht »Es kommt der Duft vom Strome her…« gänzlich übersetzt. In einer seinen späteren Arbeiten »Die Duftkörner aus den persischen Dichtern gesammelt« (1836) kehrte Hammer noch mal zu Rudaki zurück und übersetzte sein Vierzeiler über die Feder, die Arbeitsmittel des Dichters 3.
Farb' und machtlos ist die Feder,
Der des Lebens Wort entträuflt,
Achte nicht gering den Dichter,
Dessen Flug an Sternen streift.
Rudaki blieb jedoch noch lange relativ unbekannt in Deutschland. Die Welle der Begeisterung für das Morgenland ist früher vergangen, als Rudaki in Europa gut bekannt wurde. Obwohl er der direkte Vorgänger von denen war, für die die deutschen Dichter sich so brennend interessierten: von Hafis, für den sich derselbe Hammer, auch Goethe und Platten begeisterten, von Firdousi, den Fr. Schiller übersetzte und Heine sowie Fr. Rückert besangen. 4 In den Werken des letzteren, eines höchsttalentierten Dichters und Übersetzers, eines Schülers von J. Hammer, findet mal allerhand Namen und Zitate von vielen persischen und arabischen Dichtern, nur nicht den von Rudaki, obwohl Rückert die Arbeiten seines Lehrers sehr gut kannte. Man findet dort zwar einige Zeilen, die mit manchen von Rudaki fast übereinstimmen, doch sind dies höchstwahrscheinlich eher einige bloße Zufälle und allgemeine Ausdrücke der morgenländischen Poesie. Für Rückert, sowie für die anderen vom Orient begeisterten deutschen Dichter blieb Rudaki ehe eine halb mythische Figur, wie der griechische Homer. Wie der zeitgenossische Forscher, Prof. Werner Sundermann schreibt: »Es lässt sich somit feststellen, dass seit Goethe im ganzen 19. Jahrhundert nur ein persischer Dichter wirkliches Heimatrecht in der deutschen Literatur erworben hat: Hafis. Als Verkünder von Ideen liberal gesinnter Männer (Keller, Schack, Daumer, Bodenstedt) konnte Hafis im freigesinnten Bürgertum Anerkennung und Achtung finden. Freilich lässt sich nicht verkennen, dass sein carpe diem auch als problemloses, politisch abstinentes In-den-Tag-Leben verstanden werden konnte« (5, S. 223). Wir werden Prof. Sundermann nicht widersprechen wollen, bemerken wohl nur eins, dass im »deutschen Schicksal« von Hafis die literarische Autorität Goethes wohl auch eine große Rolle gespielt haben mag.
Eine richtige »Entdeckung« des Dichters Rudaki in Deutschland gehört dem Orientalisten Hermann Ethé (1844-1915), in dessen Werken die Dichtung Rudakis das erste Mal volltonig auf Deutsch erklungen ist. H. Ethé ist der Autor eines gründlichen Werkes über unseren Poeten »Rudaki. Der Samaniden-Dichter« (1873). H. Ethé ist auch derjenige, der in ganz Europa das Leben und die Dichtung von Rudaki aus bestimmten geschichtlich-gesellschaftlichen Positionen betrachtet hat. Wenigstens das »Encyclopedia Britannica« erkennt seine Entdeckerrolle an, und das ist von großer Bedeutung. Laut der Encyclopedia Britannica erschien die erste englische Arbeit über Rudaki erst im Jahre 1890 und dies sei »A Persian Chaucer« von C.-J. Piekering. Hermann Ethé, alle ihm zu seiner Zeit bekannten Abschriften von Gedichten Rudaki's einbeziehend - immerhin 46 Abschriften - hat einen fruchtbaren Versuch gemacht, diese Gedichte kritisch zu publizieren und ins Deutsche zu übersetzen Als Grundlage von Übersetzungen von 52 Gedichten, die er gemacht hat und in «Nаchrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaft und der G.A. Universität zu Göttingen» veröffentlichte, dienten die Abschriften von Muhammad Aufis »Lubab-ulalbab« (erster Jahrzehnt 7.H. Х), Daulatschah's Tadhkirat-uschschuàra« (892. H.) ), Maulana Cufi und Mirzabeg Khaki, »Butkhana« (1110 H.), die Gedichte, die er in Jamis Baharistan und in vielen anderen Quellen gesammelt hat. Der halblegendären Biographie Rudaki's folgend, hat der Wissenschaftler auf seine Weise das Datum Rudakis Todes zu definieren versucht, dabei stützte er sich auf die Analyse dessen Texte, die dem König Naser gewidmet waren. Eine Schlussfolgerung über das spätere Datum des Todes des Dichters - 343. H. erzielte er aus der Betrachtung vom Inhalt seiner Gedichte, worin die Beschreibung der Jahre, die Rudaki am Hofe von Naser verbracht hat, als elegische Vergangenheit klingen. Laut Ethé starb Naser im Jahre 331. H., was ihm auch erlaubt hat, das Datum von einigen persischen Historikern über das Jahr des Todes Rudaki's 330. H, »zum Recht« zu bezweifeln. In Wirklichkeit wurde der Dichter in die Hofintrigen miteinbezogen und nach dem Fall seines Gönners, Vezirs Abul-Fazl-Balami in den Jahren 937/938 war er gezwungen, den Hof zu verlassen und die letzten Jahre seines Lebens in Armut und Einsamkeit zu verbringen. Die aktuelle Wissenschaft ist der Meinung, dass er in den Jahren 940/941 starb. Die Methode Ethés, wie schon betont wurde, zeichnet sich durch einen bestimmten Historismus aus. Überzeugend schildert er die geschichtlichen Voraussetzungen, dass eben speziell in der Samanidenepoche so ein Großtalent wie Rudakis sich entwickeln konnte. Die wichtigste von denen ist laut Ethé, die langsame Abspaltung des Reiches der ersten Samaniden (hauptsächlich Khorosan) vom arabischen Kalifat und die von der persisch-tadschikischen schöpferischen Elite gewonnene Erkenntnis der Notwendigkeit, eine eigene Literatur mit eigener Sprache im Gegensatz zur arabischen Literatur mit ihrer »schmähsüchtigen Zunge« zu entwickeln. Diese Aufgabe auszuführen, fiel auf die »Adams der Dichtung« Schultern. Des ersten, persischen Dichters, wie Ethé wohl bemerkte, der uns einen kompletten »Divan« hinterlassen hat. Dies ist später zu einer Tradition, die Gedichte in einen ganzen »Divan« zu sammeln, geworden, obgleich zur Zeit die Zugehörigkeit des Divans Rudaki eben ihm selbst bezweifelt wird. Es ist interessant zu bemerken, dass der Wissenschaftler sich an jener fast ewigen Diskussion über die Blindheit Rudakis beteilig hat. Das bezweifelt Ethé mit der Begründung, das all zu sehr feine und genaue Farbenunterschiede bei Rudaki auszumachen sind, als das er wirklich hätte blind geboren sein können. Wiederum macht dies der Forscher anhand der Analyse von Texten des Dichters, was seine wirkliche Errungenschaft im Vergleich mit früheren Morgenlandkundlern darstellt. Unserer Meinung nach zollte Ethé viel zu viel Aufmerksamkeit der panegyrischen Poesie Rudaki's, währenddessen der Dichter mit seinem Schaffen sich nicht nur auf die Oden an Nasr beschränkte. Lebensweisheit, das gesamte Spektrum unterschiedlichster Fassetten des menschlichen Lebens, wie Liebe und Tod, die Schönheit der Natur und des Menschen, das Streben nach Gerechtigkeit und Edelmut. All das interessierte Rudaki und wurde von ihm in einer vollkommenen poetischen Form zum Ausdruck gebracht.
Nicht besonders viel über des Dichters geistige Portrait sagen uns Ethé's detaillierte Schilderungen Reichtümer Rudakis, die er angeblich am Hofe von Naser erworben hat. Die geographischen und toponomischen Kenntnisse Ethes sind leider im Gegensatz zu seinen philologischen Kenntnissen ziemlich hinterhergekommen. So ist das Bächlein Muljan, das seit ewiger Zeit Buchara durchquert, bei ihm ein Städtchen in Transoxonien (für Ethé der zeitgenössische Name der Gegend zwischen Amu-und Syr-Darja) am Ufer des Oxus (Amu-Darja!), und Amu selbst ist auch eine Gegend am Ufer des Oxus (sich selbst also). Das ist freilich zu verzeihen, da die westlichen Wissenschaftler die Mittelasien bis zum Anfang des 20. Jh. nur am Schreibtisch kennenlernen und erforschen konnten. Genauso wie Hammer nennt H. Ethé unseren Dichter nicht Rudaki, sondern Rudegi, was daraus entstand, dass die persische Sprache die Buchstaben »k« und »g« nicht ganz unterscheidet. Wohingegen schon d`Herbelot den richtigen Namen sogar mit der Definition »Ustadh« - Meister kannte. Bei Ethé finden wir auch den Begriff »Meister« aber leider keinen richtigen Namen. Uns nicht vor Widerholung fürchtend, möchten wir nochmals betonen, dass das wichtigste Verdienst Etés darin bestehet, dass er als erster solch eine volle Übersicht des schöpferischen Werkes Rudaki geschaffen und zudem die kritisch bearbeiteten Texte dieses Dichters herausgegeben hat. Seine große Leistung ist es auch, dass er die Dichtung Rudakis dem deutschen Leser in seinen semantisch meist adäquaten Übersetzungen zugänglich machte und zugleich deren strophische Form und Rhythmus zu bewahren versuchte. Vom Interesse sind Einführungen sogar ohne Übersetzung der orientalischen poetischen Symbolik, die direkt nicht übersetzt werden könnten, wie z.B. die Anspielung auf die graphische Form des Buchstabes »Jim«:
Der jimgleich dir geringelt deine Locken, - hat mit dem Maal als Punkt dies Jim geziert,
Und schaut man - gar dein enges Mündchen, wähnt man - ein Stück Granate sei's, das er halbiert.
Das machten die Übersetzer in den Zeiten Ethe's selbst und etwas später, anstatt wie früher die griechisch-römischen Analogen oder die ähnelnden antiken Metapher zu suchen. Es muss zugegeben werden, dass manche Übersetzungen Ethés fehlerhaft sind, und in manchen von denen ganze Zeilen weggelassen sind. Es ist aber sehr einfach und nicht ganz berechtigt den richtigen Wegweiser und Entdecker aus heutiger Sicht zu kritisieren. Es bleib uns nur noch, hinzufügen, dass Hermann Ethé der Autor noch eines Buches ist, das mit Rudaki zu tun hat, nämlich »Rudagis Vorläufer und Zeitgenossen« (1875), wo er alle wie auch immer bedeutenden Dichter aus dem Unkreis von Rudaki und auch seine Vorgänger aufgelistet und charakterisiert hat, die die Grundlagen für seinen Höhenflug schufen oder seine Errungenschaften mit ihren poetischen Suchen eingespeist hatten: Hantala (oder Hanzala) aus Badaghis, Hakim Firuz Nashriqi, Abu Salik aus Jurjan und andere. Das Werk Rudakis hat Ethé sehr hoch geschätzt. Zweifelsohne mit Recht schrieb er über Rudaki, dass er: »das Gebäude der Dichtkunst aufgeführt und allen verschiedenen Dichtungsgattungen, dem Mathnawi, der Qacide, dem Quit´a, dem Ghazel und dem Rubaí ihren eigentümlichen Stempel, ihren individuellen Charakter aufgeprägt hat. Die späteren großen Panegyriker Anwari und Khaqani, die grossen Erotiker, wie Hafis und Genossen, ja selbst die Didaktiker haben von ihm gelernt und ihn trotz ihrer blendenden Vorzüge in seiner Einfachheit und Ungekünsteltheit doch nie wieder erreicht« (6, s. 675). Der Gedanke von der Natürlichkeit und Ungekünsteltheit der Gabe Rudakis, der um auf Aufforderungen der Epoche zu antworten auf die Welt kam, wird von ihm immer wieder unterstrichen. Sogar im Kommentar zu den eigenen Übersetzungen hielt er sich nicht vor dem, eine Legende aufzuführen, die das seltene improvisatorische Talent des Dichters bezeugt, das sogar imstande war eine scharfe Antwort auf eine Grobheit im Reim zu verfassen (Siehe Kommentar zum Gedicht 42). Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass die »Einfachheit« Rudakis nicht nur eine positive Rolle im Leben seines Werkes gespielt hat. Wie Professor Sundermann schrieb: »Misst man die von Rudaki in dieser Auswahl gebotenen Gedichte (Siehe unten) an den allgemeinen für spätere persische Dichtung Kunstprinzipien.., so fällt auf, dass Metaphern und rhetorische Figuren noch sehr maßvoll verwendet werden. Rudakis Dichtung zeichnet sich im allgemeinen durch eine ungewöhnliche Schlichtheit und Erlebnishaftigkeit aus, die ihr freilich im Urteil späterer persischer Kunstkenner abträglich war und sicher dazu geführt hat, dass sein auf über hunderttausend Verse geschätztes Gesamtwerk zum größten Teil verloren gegangen ist« (5 , s. 230). Wir haben uns erlaubt, zu vermuten, dass dasselbe die Ursache dessen war, dass Rudaki nie solche große Popularität im Westen genossen hat, wie seine direkten Nachfolger Saadi oder Hafis. Dem europäischen Dichter oder Übersetzer, der in der orientalischen Dichtung schöne Rhetorik und Zierde gesucht hat, schien Rudaki bestimmt zu archaisch und zu simpel. Es ergab sich so, das der von d`Herbelot, Hammer und Ethé »entdeckte« große Dichter des Morgenlands, viel mehr Aufmerksamkeit bei den Philologen-Orientalisten, als bei den Dichtern und Übersetzern gewonnen hatte. Zudem war im späteren 19. Jahrhundert die Zeit des »Philoorientalismus« schon um.
Seit dem Ende des 19. Jh. und bis in die heutigen Tage sind die Artikel über Rudaki ein untrennbarer Teil jedes ernsten Werkes über die Dichtung Persiens und jeder entsprechen Encyclopedias. Periodisch, so wie in der Arbeit von Prof. Werner Sundermann und Martin Remané erscheinen einige neue Biographien und Übersetzungen aus dem Werk dieses Klassikers der persisch-tadschikischen Literatur in europäischen Sprachen. Mehr als vor 1100 Jahre schrieb Rudaki die wunderbaren Zeilen, die wir hier in unserer Übersetzung aufführen möchten:
Es gibt auf der Welt keine größere Freude
Als, den Anblick lieber Gesichter von Freunden.
Es gibt kein bitterstes Herzeleid auf Erden,
Als, getrennt von edlen Freunden zu werden.
Und wir sind sehr stolz darauf, dass die ersten europäischen »Freunde«, Kenner und Übersetzer der Dichtung Rudaki's sich eben in Deutschland gefunden haben.
Dr. Alexander Heiser
Berlin
1 Berthelemi d`Herbelot. Bibiotheque Orientale, Paris, 1697
2 J. Hammer-Purstall. Geschichte der schönen Redekünste Persiens. Wien, 1816.
3 J. Hammer-Purgstall. Duftkörner aus persischen Dichtern gesammelt. Stuttgart, 1836
4 A. Heiser. Mein dunkler West-Östlich Spleen in: Конференция «Руми». Худжанд 2007.
5 W. Sundermann. Nachwort. Lob der Geliebten. Berlin, 1968
6 Hermann Ethé. Rudaki. Der Samaniden Dichter. Nаchrichten von der Königlichen
Gesellschaft der Wissenschaft und der G.A. Universität zu Göttingen, 1873.